Kiss Me Twice Page 8
»Entschuldigen Sie, Miss.« Jemand tippte mich an.
»Himmel!« Erschreckt fuhr ich herum und sah die Verkäuferin vor mir, die mich misstrauisch anfunkelte.
»Den Bären zahlen sie aber schon noch, oder?«, fragte sie bissig. Erst dachte ich, sie meinte den von Prescot, bis ich den gleichen Bären in meiner Hand bemerkte.
»Was? Der … nein. Ich hab’s nicht so mit niedlich und pink und so«, druckste ich herum und wollte ihn schon zurücklegen, als mir einfiel, dass wir gerade einen Bären gestohlen hatten. Oder besser gesagt, dass Prescot gerade einen Bären gestohlen hatte.
»Wissen Sie was? Niedlich ist vielleicht doch nicht so schlimm. Ich nehme ihn«, seufzte ich. Buße musste sein. Und ein extragroßes Trinkgeld als Entschuldigung.
Fünf Minuten später drückte ich Ivy den Bären in die Hand, die mich verdutzt anguckte.
»Wo hast du den denn auf einmal her?«, fragte auch Ryan irritiert.
»Ist mir zugelaufen«, sagte ich trocken.
»Auf dem Klo?«
»Ja. Wo findest du denn Bären?«
»Ähm …«
»Ivy kann ihn haben. Natürlich nur, wenn er dir gefällt«, warf ich etwas sanfter ein und lächelte Ivy an, die den Bären prompt an sich drückte. Die beiden sahen sich irgendwie ähnlich.
»Danke, Silver, er ist toll. Und er duftet sogar nach Erdbeeren. Riech mal, Ryan«, sagte sie lachend und drückte ihm das Fell ins Gesicht.
»Ja … ganz eklig«, stieß Ryan hervor und spuckte Plüsch aus.
Ivy kicherte, während sie vor uns herschwebte wie eine Elfe. Ryan musterte mich schief, während ich so tat, als würde ich es nicht bemerken.
»Also …«, setzte er an, während wir auf den Parkplatz zusteuerten. »Will ich wissen, warum du über zwanzig Minuten verschwunden warst und danach mit einem rosa Plüschbären wieder aufgetaucht bist? Ivy traue ich so was ja zu, aber …«
»Frag mich nach drei Bier noch mal«, unterbrach ich ihn seufzend.
Und Ryan bewies, warum er mein bester Freund war, indem er die Klappe hielt und Bier kaufte. Viel Bier. Und Twinkies für Ivy. Dieser Mann wusste eben, wie er seine Frauen glücklich machte.
Prescot
»Nichts.«
Wir alle starrten auf die Zeitung vor uns. Keine Ahnung, wer erleichterter war: Dad oder ich. Helena runzelte die Stirn und blätterte durch die Seiten.
»Ich kann nicht fassen, dass kein einziger Skandal über dich in der Zeitung steht, Scotty.«
Wir saßen am Frühstückstisch, und niemand wusste so recht, was er tun sollte. Dad schien bereits einen weiteren Vortrag einstudiert zu haben, an dem er gerade erstickte, weil er ihn nicht loswerden konnte, während Helena beinahe enttäuscht aussah. Penelope goss sich geziert Kaffee ein und warf uns allen einen genervten Blick zu.
»Ist doch nur zu unserem Vorteil, wenn gestern alles glatt über die Bühne gegangen ist.«
»Ja, aber als Scotty einfach so verschwunden ist, dachte ich schon, es ist aus mit uns«, stieß Helena dramatisch hervor und klatschte die Zeitung zwischen die frischen Brötchen.
Auf dem Titelblatt war die gesamte Familie samt Evangeline vor der Limousine zu sehen, und alle lächelten freundlich. Mehr nicht. Kein Foto, wie ich von einem wütenden Protestler mit einem Schild vermöbelt wurde. Kein Foto, wie ich aus der Damentoilette spaziert kam. Nichts.
»Sie hat mir wirklich den Arsch gerettet«, murmelte ich.
»Was?«, fragte Helena sofort.
»Nichts.« Ich mied ihren Blick, stürzte den Kaffee hinunter und verbrühte mir dabei beinahe die Zunge. Der restliche gestrige Tag hatte sich schier ins Endlose gezogen, gekrönt von einem unfassbar langweiligen Bankett. Doch auch hier war nichts Skandalöses passiert. Es wirkte wie ein Wunder.
»Ein Wunder ist geschehen«, stieß mein Vater prompt hervor und schien vor purer Erleichterung in sich zusammenzusacken.
»Hat eigentlich jemand von euch Evangeline gesehen?«, fragte ich und nutellate mir das dritte Brötchen.
»Sie schläft noch, Mr Prescot«, antwortete mir Carla, die uns wie immer nach Vancouver begleitet hatte und jetzt mit frischem Speck zur Tür hereinkam.
Begeistert schaufelte ich mir die Hälfte auf den Teller. Ich hatte heute mehr Appetit, als ich seit … keine Ahnung, seit wann gehabt hatte.
»Carla! Du musst aber auch immer arbeiten, oder?«, fragte ich erfreut und zwinkerte ihr zu.
»Ich darf, Mr Prescot«, berichtigte sie mich und reichte meinem Vater eine graue Mappe. »Ihr Tagesplan für heute, Sir. Es steht ein Treffen mit dem Premierminister an. Ihre gesamte Familie trifft sich danach zu einem Benefizkonzert.«
»Sehr schön, das heißt, wir haben erst mal frei?« Helena stand bereits auf den Beinen, bevor Carla nicken und unser Dad sie warnend ansehen konnte.
»Übertreibt es nicht«, warnte er nur, und Helena warf ihm anstatt einer Erwiderung ein schelmisches Küsschen zu.
Dad bedachte auch Penelope mit einem vielsagenden Blick. Die seufzte ergeben, während sie sich einen nicht existenten Krümel von der weißen Bluse wischte. »Ich kümmere mich um sie«, versicherte sie, stand in einer eleganten Bewegung auf und verließ zusammen mit ihrer Zwillingsschwester den Raum.
»Und du …«, wandte Dad ein.
»Ich bin in meinem Zimmer und spiele Tapete«, versicherte ich ihm, stopfte mir noch ein wenig Speck mit Nutellabrot in den Mund, zwinkerte Carla zu, die lächelnd errötete, und stürmte aus dem Esszimmer.
Ich hatte noch etwas zu erledigen. Ich musste ein weißblondes Mädchen ausfindig machen. Doch alles, was ich hatte, waren ihre schwarze Jacke, ein pinker Plüschbär und ihr Name, von dem ich nicht einmal wusste, ob es sich um ihren Vor- oder Nachnamen handelte. Silver. Der Klang brachte etwas in mir zum Erzittern.
Das Stadtpalais in Vancouver war ebenfalls voller Leute, die ich nicht kannte. Sie alle wirkten schwer beschäftigt, wahrscheinlich wegen des beknackten Balls, der Ende der Woche stattfinden sollte. Ich flüchtete in mein Zimmer, das in etwa so gemütlich war wie ein überteuertes Hotelzimmer, schnappte mir meinen Laptop, auf dem immer noch Sticker meiner alten Uni klebten, und begann zu recherchieren, während ich mich im selben Atemzug aufs Bett warf. Als ich »Silver« eingab, spuckte Google erwartungsgemäß Millionen und Abermillionen Treffer aus. Allen voran welche mit Silvester Stallone. Den brauchte ich schon mal nicht. Ich klickte mich weiter, fand jedoch nur Anzeigen über Silberverkauf bis hin zu einer eher zweifelhaften Seite, auf der eine freizügige Dame mit dem Künstlernamen Silver ihre Dienste anbot. Ganz toll. Nach dieser Aktion würde ich meinen Laptop von Viren befreien müssen.
Frustriert fuhr ich mir durch die Haare und zögerte. Wenn mir jemand helfen konnte, etwas – oder besser gesagt jemanden – über das Internet zu finden, dann sie. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich bereit war, den Preis dafür zu zahlen.
Ich starrte auf den Bildschirm und erinnerte mich an den durchdringenden Blick dieser wunderschönen Huskyaugen, an das helle Haar, an das Gefühl von … Sicherheit. Ich gab mir einen Ruck. Scheiß drauf! Wenn ich meine Seele an den Teufel verkaufen musste, um Silver zu finden, dann würde ich es eben tun.
Ich verpasste mir einen imaginären Tritt in den Hintern, verließ mein Zimmer und trottete den Gang entlang. Vor einer schimmernden Mahagoni-Doppeltür hielt ich inne und klopfte leise. Als sich nichts rührte, klopfte ich lauter. Die Sekunden verstrichen, während ich mir die Beine in den Bauch stand. Gerade als ich zum dritten Mal klopfen wollte, wurde die Tür schwungvoll aufgerissen, und Penelope stand im Türrahmen. Hinter ihr war es still und schummrig, nur das Summen von zwei großen Laufwerken war zu hören. Das einzige Licht, das über den Teppichboden zu uns nach draußen kroch, stammte von drei Computerbildschirmen.
»Scotty?« Sie blinzelte mich irritiert an, als hätten wir uns nicht gerade erst beim Frühstück gesehen.
»Ähm, hey … hast du kurz Zeit?«
Penelope hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was wills
t du?«
»Wie kommst du darauf, dass ich …«
»Was willst du, Scotty?«
»Du musst jemanden für mich finden«, platzte es aus mir heraus. »Bitte«, schob ich hinterher.
Penelope musterte mich durch ihre randlose Brille, die so dezent wirkte, als würde sie sie immer tragen. Tat sie aber nicht. Nur wenn sie in ihrem Zimmer verschwand, stunden-, manchmal tagelang, und dabei sogar vergaß, zu schlafen oder zu essen.
»Wenn du zahlen kannst, komm rein«, sagte sie grinsend.
»Mein Erstgeborenes kriegst du nicht«, warnte ich sie vor und folgte ihr in die Technikhölle.
Penelope war die intelligenteste Person, die ich kannte. So schlau, dass sie es schaffte, ihr Genie hinter Eleganz und Perfektion zu verstecken. Niemand, der sie in der Öffentlichkeit sah, hätte vermutet, dass meine Schwester eine der bestbezahlten IT-Beraterinnen des Landes war. Ich fand es immer wieder absurd, sie in diesem Zimmer zu sehen, und trotzdem wirkte Penelope nur dann wirklich glücklich, wenn sie auf ihre Tastatur einhämmern konnte. Früher hatte sie oft gesagt, sie würde Computer besser verstehen als Menschen. Inzwischen sagte sie, sie könnte Computer einfach besser leiden als Menschen. Verstand ich irgendwie.
»Also …« Sie ließ sich in ihren Schreibtischstuhl zurücksinken und drehte sich schwungvoll zu mir herum. Fehlte nur noch die weiße Katze, und sie hätte den Bösewicht in einem Bond-Streifen spielen können. »Was oder wen suchst du?«
»Ein Mädchen.«
Sie verdrehte die Augen. »Um Gottes willen, Prescot!«
»Es ist nicht so, wie du denkst«, rechtfertigte ich mich.
»Du hast also nicht dein Würstchen in ihr Brötchen getunkt und …«
»Nein«, unterbrach ich sie würdevoll und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss sie einfach nur finden und habe keine Ahnung, wie und wo.«
Sie seufzte. »Kennst du zufällig ihren Namen?«
»Ja … äh, nein … also, vielleicht.«
»Auf Wiedersehen, Prescot«, sagte Penelope trocken und deutete auf ihre immer noch offen stehende Tür.
»Warte, Pen! Bitte. Ihr Name ist Silver. Ihrem Akzent nach ist sie Amerikanerin. Sie war gestern am Flughafen und ist in etwa so groß wie ich, hat silberblondes Haar, graublaue Augen, Tattoos und … riecht gut. Mehr weiß ich nicht. Ich muss sie aber wirklich dringend finden. Es ist Schicksal und so.«
»Du klingst wie ein Stalker, Scotty. Tu dir selbst und dem Mädchen einen Gefallen und vergiss die Sache.«
Am liebsten hätte ich gesagt: »Nein, dann wäre ich ja wie du«, aber ich verkniff es mir. »Such sie bitte, selbst wenn nichts dabei rauskommt«, murmelte ich stattdessen.
Eisiges Schweigen schlug mir entgegen. »Nein«, sagte sie dann schlicht.
»Bitte«, murmelte ich. »Es ist mir echt wichtig.«
Sie starrte mich an, dann drehte sie sich schwungvoll um und ließ ihre Finger über die Tastatur fliegen. »Ich überleg’s mir. Und jetzt raus hier, von deinem Aftershave bekomm ich Kopfschmerzen.«
»Ich trage gar kein Aftershave.«
»Dann krieg ich die Kopfschmerzen wohl von dir.«
Ich lachte, trat von hinten auf sie zu und hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Hab dich auch lieb, Pen.«
Sie antwortete nicht, aber ihre Bewegungen an der Tastatur wurden etwas weniger aggressiv.
Immer noch lächelnd drehte ich mich um, verließ den Raum und ging zurück in mein Zimmer. Vielleicht konnte ich selbst noch etwas herausfinden, bevor wir das Konzert besuchten und ich zwei Stunden lang so tun musste, als würde ich mir nicht am liebsten einen Bleistift ins Trommelfell rammen.
Silver
Am liebsten hätte ich mir etwas in die Augen gerammt und wäre erblindet. Ich war ohnehin kurz davor, und wenn ich jetzt noch weitere fünf Minuten zusehen musste, wie mein bester Freund Ivy die Zunge in den Mund steckte, würde ich zur Tat schreiten. Zugegeben, sie hatten sich den ganzen Tag zusammengerissen, aber seit wir am Abend in der Wohnung herumgammelten, musste ich feststellen, dass Ryan ein neues Zungenpiercing hatte. Auf der Minicouch in ihrer winzigen Dachgeschosswohnung war zwar prinzipiell Platz für drei Personen, jedoch nicht, wenn zwei davon wild knutschend übereinander herfielen, sodass ich quasi auf der Lehne saß, um so viel Abstand wie möglich zu halten. Vor allem zu Ryans Käsefüßen, die er mir fröhlich ins Gesicht streckte. Ich legte den Kopf schief. War es das Risiko wert hineinzubeißen?
Der Fernseher lief. In den Nachrichten wurde über die Wirtschaft gequatscht. Irgendetwas über versiegende Goldadern in Nova Scotia und ob der Abbau von Kupfer eine Möglichkeit wäre, die brachliegende Wirtschaft wieder anzukurbeln. Einer der beiden Anwärter auf den Thron, ein gewisser Oscar, schien sich wohl dafür einzusetzen und bekam deswegen viel Kritik seitens des Naturschutzes ab. Sein Versprechen, dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen, schien bei der Bevölkerung hingegen auf großen Zuspruch zu stoßen. Der Bildschirm flimmerte, und kurz zeigten sie auch ein Bild von … Prescot und seiner Familie. Ich erstarrte. Mein Herzschlag flatterte. Der junge Prinz war in Full HD zu sehen. Er trug einen dunkelblauen Anzug. Sein Haar leuchtete golden im Schein eines Kronleuchters, während er schief in die Kamera lächelte. Entsetzt bemerkte ich, wie meine Handflächen nass wurden. Schnell sah ich weg.
»Ivy?«, fragte ich.
»Ja?« Keuchend riss sie sich von Ryan los und sah mich ein wenig peinlich berührt an.
»Was weißt du über diesen Prinzen?«, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen.
»Diesen Prinzen? Du meinst Prescot?«, fragte sie verdutzt.
»Na toll«, stöhnte Ryan und ließ den Kopf auf eins der Kissen fallen.
Ivy verpasste ihm einen Stoß in die Rippen und krabbelte über ihn drüber, um sich neben mich zu setzen. Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Nicht allzu viel«, gab sie zu. »Den Gossip halt, den man so aufschnappt. Was genau willst du denn wissen?«
»Ich weiß nicht …« Ich biss mir auf die Lippen. »Alles?«
Ivy schmunzelte. »Ich bin keine Expertin und kenne eigentlich auch nichts weiter als den üblichen Klatsch und Tratsch. In seiner Familie herrscht derzeit ziemlicher Streit darüber, wer den Thron erben soll.«
»Warum denn das? Erbt den nicht einfach automatisch der Erstgeborene?«
»Ja und nein, soweit ich weiß, wäre das eigentlich Prescots Onkel gewesen. Der ist zwar jünger als Prescots Vater, aber der leibliche Sohn des alten Königs. Doch dann ist ein Testament aufgetaucht, laut dem Prescots Vater den Thron erben soll, obwohl er nur der Stiefsohn von König Leopold ist. Das ist wohl nicht ganz so legal, und darum streitet ganz Nova Scotia, wer den Thron nun bekommen soll. Die Familie ist derzeit in Vancouver, weil ein unabhängiges Parlament in Kanada entscheiden soll, ob das Testament rechtsgültig ist oder nicht.«
»Wow …« Ich starrte sie an. »Wie scheißkompliziert.«
»Ja, oder?« Sie lachte und zog die Beine an. »Ich glaube, sobald es um Erbe, Familie und Geld geht, ist es immer kompliziert, und wenn dann noch ein Adelstitel dranhängt, kann man sich vorstellen, warum es so viele Shakespeare-Tragödien über dieses Thema gibt.«
»Und hat Prescot …« Ich biss mir auf die Unterlippe.
Ivy zog eine Augenbraue hoch. »Jaaa?«, fragte sie sichtlich amüsiert, wie sehr mich das Thema interessierte.
Es war mir ja selbst peinlich, trotzdem sagte ich es. »Hat er eine Freundin oder so?«
»Nein. Nicht dass ich wüsste.« Ivy guckte mich erstaunt an.
Ryan riss den Kopf hoch, und ich wünschte mir kurz, aber inbrünstig, zu sterben. Warum fragte ich so was?
»Ach, vergesst es! War eine dumme Frage«, rief ich und setzte mich hektisch auf.
Bier! Ich brauchte noch ein Bier. Oder zehn. Beim Aufstehen achtete ich darauf, Ryan einen Fuß in den Bauch zu rammen. Ich grinste, als er aufstöhnte. So viel Liebe zwischen den beiden war ja nicht zu ertragen. Es erinnerte mich viel zu deutlich daran, dass in meinem Leben ein schwarzes Loch klaffte, das
jegliche Liebe augenblicklich in sich aufsog. Wann hatte ich das letzte Mal ein Date gehabt? Ein echtes, nicht nur eine schnelle flüchtige Nummer, die meist peinlicher endete, als sie ohnehin schon begonnen hatte? Ich blinzelte, als sich das Bild von Prescot in meine Gedanken schummelte. Ob ein Date mit ihm auch peinlich wäre? Nein, Prescot zu daten, wäre in etwa so, wie einen Märchenprinzen zu … Egal, kitschig und unmöglich jedenfalls.
»Was machst du?«, fragte Ryan, während er mit zerwühlten Haaren aufsah.
»Kotzen. Oder ein Bier holen. Oder beides«, brummte ich und ging in die kleine Eckküche, in der ich den Kopf einziehen musste. Ich öffnete den Kühlschrank und starrte in gähnende Leere. »Nett, fast wie bei mir daheim«, sagte ich und zuckte zusammen, als Ivy wie aus dem Nichts neben mir auftauchte und schuldbewusst blinzelte.
»Ich glaube, wir haben nichts mehr da. Wir hatten keine Zeit mehr zum Einkaufen. Wenn du willst, können wir Ryan zur Arbeit begleiten. Im Club haben sie bis Mitternacht Burger und Pommes und auch genug zu trinken. Außerdem bekommen wir Mitarbeiterrabatt.«
Ich zog eine Augenbraue hoch und wandte mich Ryan zu, der immer noch auf dem Sofa lag wie eine vollgefressene Katze. Vollgefressen mit Liebe. Verdammt!
»Du arbeitest heute noch in einem Club?«, fragte ich. »Wann denn?«
Ryan winkte ab. »Ach, kein Stress. Ich muss um …« Sein Blick zuckte zu der Uhr an der Wand, und er schreckte so sehr zusammen, dass er fluchend vom Sofa knallte. »Scheiße, ich hätte vor zehn Minuten dort sein müssen.« Hektisch rappelte er sich auf und rannte mit nackten Füßen ins Schlafzimmer.
»Ups«, sagte Ivy, sah jedoch weniger zerknirscht als eher ein wenig schadenfroh aus, während wir gemeinsam beobachteten, wie Ryan panisch wieder aus dem Schlafzimmer gerannt kam, diesmal statt in Schlabberhosen mit einer schwarzen Jeans um die schmalen Hüften und einem weißen Hemd mit einem fetten Soßenfleck. Um den Hals baumelte eine Krawatte.