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Kiss Me Twice Page 6


  »MacCain!« Ich stampfte auf ihn zu, hob selbst die Arme, und gerade als Ryan mich an sich ziehen wollte, packte ich seinen linken Arm und verdrehte ihn auf seinen Rücken. Als ich es befriedigend knacken hörte, verpasste ich ihm obendrein die heftigste Kopfnuss seines Lebens.

  »Scheiße!«, stieß Ryan hervor.

  »Du mieser kleiner Verräter! Glaubst du wirklich, einfach so ohne jede Konsequenz abhauen zu können?«, knurrte ich ihn an und drehte den Arm noch weiter.

  »Nein, Silver! Au!«, grölte Ryan und schien sich nicht entscheiden zu können, ob er mich finster anfunkeln oder lieber lachen sollte.

  Die ganze Halle starrte uns an. Kein Wunder, schließlich balgten wir uns gerade wie die Hunde. Zum Glück waren wir beide relativ peinlichkeitsresistent.

  »Winsel um Gnade und küss mir die Füße«, forderte ich und kickte ihm in die Nieren. Nicht fest, aber … doch ein bisschen.

  »Niemals«, grollte Ryan und rammte mir seinerseits die Schulter in den Bauch.

  Ich taumelte. Nur einen kurzen Augenblick, doch es reichte, dass sich Ryan mit einer ruckartigen Bewegung befreien konnte und nun mich in den Schwitzkasten nahm. Als Nächstes grub er mir schon die Fingerknöchel in die Kopfhaut.

  »Wenn hier jemand um Gnade winselt, dann du. Wer musste denn bitte eine ganze Woche überlegen, um den besten Urlaub seines Lebens anzunehmen?«

  »Leck mich, MacCain!«

  »Fall dreimal tot um, Silver!«

  »Ähm …«, unterbrach uns eine weiche, hohe Stimme.

  Ruckartig sahen Ryan und ich auf. Ich war gerade dabei, meinen Fuß gegen sein Schienbein zu rammen.

  Vor uns stand ein Mädchen mit hellblondem Haar und rosa Haarspitzen. Sommersprossen tummelten sich auf einer Stupsnase, über der amüsiert ein paar blaue Augen funkelten.

  »Seid ihr bald fertig mit …«, sie fuchtelte mit den Händen vor uns herum, »… was auch immer das ist? Oder soll ich mir in der Zwischenzeit einen Latte holen?«

  Ryan und ich wechselten einen Blick.

  »Ist sie das?«, fragte ich.

  Ryans Blick wurde sanft. »Das ist sie«, sagte er so stolz wie eine Henne, die gerade ein Ei ausgebrütet hatte.

  Ich schmunzelte und riss mich von Ryan los, jedoch nicht, ohne ihn noch ein letztes Mal zu treten.

  »Du bist also die berühmte kleine Ivy Redmond«, sagte ich, trat näher und musterte das Mädchen, das mir kaum bis zur Schulter reichte.

  Neugierig sah sie zu mir auf, ohne jede Scheu oder Zurückhaltung, und als sie lächelte, schien alles in ihrem Gesicht aufzuleuchten. Selbst die kleinen Sommersprossen wirkten fröhlich.

  »So klein bin ich gar nicht. Ihr beide seid nur gruslig überdimensional«, schoss sie fröhlich zurück und streckte mir grinsend die Hand entgegen. »Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenzulernen.«

  Ich sah ihre zierliche Hand an und nahm sie vorsichtig entgegen. Wie ein Vögelchen, das ich mit einer falschen Bewegung zerbrechen könnte. Ihr Händedruck war jedoch erstaunlich fest und warm. Ich warf einen Blick zu Ryan, der uns stolz betrachtete, verdrehte die Augen und lächelte Ivy an.

  »Freut mich auch«, sagte ich ehrlich, bevor ich kaum merklich fester zudrückte.

  »Aber falls du Ryan wehtust, muss ich dir wehtun.«

  »Und ich bin mir sicher, dass du das kannst«, sagte ich, ohne mit der Wimper zu zucken.

  Ivy zog ihre Hand zurück und strahlte Ryan an. »Ich mag sie.«

  »Deine Freundin hat einen Knall«, meinte ich daraufhin zu ihm.

  »Ja … ich weiß«, erwiderte er und schniefte gerührt.

  Um Gottes willen! Hatte ich’s doch gewusst – ich hätte einfach in Florida bleiben sollen.

  »Können wir gehen?«, fragte Ivy und blickte irritiert auf mein Gepäck. »Sollen wir dir beim Koffertragen helfen?« Sie sah sich um, als erwartete sie neben der Dufflebag noch mehr.

  »Nope, das ist alles, was ich habe«, ließ ich sie wissen und schwang mir die Tasche über die Schulter, während wir zusammen durch die Halle losgingen.

  »Oh, okay. Wenn du willst, können wir nachher ja shoppen gehen«, schlug sie vor und grinste mich an.

  Ich guckte ein wenig überfordert zurück. Ich konnte mich nicht erinnern, wenn ich das letzte Mal shoppen gewesen war. Mit einem anderen Mädchen. Die Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun gehabt hatte, waren nahezu ausschließlich Männer gewesen.

  »Und noch mal zurück zum Latte«, wandte sich Ivy an Ryan, ehe ich ihr Angebot leicht panisch ablehnen konnte. »Ich hätte wirklich gern einen von diesen Donut Spice …«

  »Ach komm, Ivy, du hattest doch schon zwei! Jetzt noch einen, und du gehst wie ein Flummi an die Decke«, murrte Ryan.

  Ivy funkelte ihn an. »Tja, vielleicht hätte ich auch nicht ganz so großen Bock drauf, wenn mir nicht ein gewisser Jemand mein ganzes Gatorade weggetrunken hätte.«

  »Hahaha, das hast du ganz allein geschafft, Ivy.«

  »Lüge!«

  Fasziniert beobachtete ich die zwei, wie sie sich um … Gatorade?! stritten, als wenige Meter vor uns plötzlich eine gigantische Menschenmasse unser Weiterkommen blockierte.

  »Was zum Teufel ist denn hier los?«

  Verwundert hob ich den Blick, während die zierliche Ivy auf und ab hüpfte wie ein Chihuahua, um etwas sehen zu können. Die Menschenmasse weckte sofort einen Instinkt in mir, der mir durch jahrelanges Training eingetrichtert worden war. Kaum merklich spannte ich mich an und stellte mich schützend vor Ivy. Ryan tat dasselbe.

  »Bitte, meine Damen und Herren, haben Sie ein wenig Geduld. Sie können gleich weitergehen«, versicherte uns ein gestresst wirkender Flughafenangestellter. »Wir müssen für einen kurzen Moment Teile des Flughafens absichern. Wenn Sie bitte einen Augenblick warten würden – wir lassen Sie dann schnellstmöglich wieder durch.«

  Ryan und ich wechselten einen genervten Blick, während Ivy plötzlich scharf die Luft einsog. »Ryan!« Sie packte ihn und zeigte aufgeregt quer durch die Halle, wo sich ein weiterer Pulk gebildet hatte – inklusive Absperrband und Dutzender kreischender Mädchen, die Schilder in die Höhe hielten. Kam jetzt irgendein Fernsehstar oder so was an?

  »Ryan, ich glaube, der Prinz kommt. Du weißt schon … der, von dem wir heute was in der Klatschpresse gelesen haben«, sagte Ivy aufgeregt.

  »Der ohne Hosen?«

  »Der Heiße ohne Hosen!«

  »Na toll …«, brummte Ryan.

  »Was?«, fragte ich irritiert und versuchte, durch die Menschenmassen zu gucken, doch alles, was ich sah, war ein Haufen Paparazzi.

  Ryan verdrehte die Augen. »Ach, in Kanada gibt es gerade so ein Royal-Ding. In einem von den benachbarten Zwergstaaten kommt eine neue Königsfamilie auf den Thron.«

  »Nein, viel dramatischer«, verbesserte ihn Ivy. »Es gibt einen Streit um den Königsthron. Seit Wochen läuft nichts anderes mehr im Fernsehen. Das ist total aufregend. Glaubst du, wir können den Prinzen sehen? Können wir bitte hingehen? Darf ich mal gucken?«

  Sie sah eher aus, als wollte sie anfassen.

  Aufgeregt trippelte sie hin und her, und durch Ryans Gesicht zuckte ein seltsamer Ausdruck. War er etwa eifersüchtig? Ich prustete. Ryan funkelte mich strafend an, ehe er sich Ivys Hand schnappte.

  »Wolltest du nicht gerade noch einen Latte mit Donut-Geschmack? Komm, wir wir gehen rüber zum Coffeeshop.«

  Sofort schnellte Ivys Blick vom Absperrband zurück zu Ryan, während ein schalkhaftes Glitzern durch ihre Augen huschte. Ryan war ihr gerade offenbar ziemlich auf den Leim gegangen.

  »Wirklich?«, fragte sie unschuldig. »Bekomme ich auch einen Marshmallow Cookie?«

  Ryan guckte sie verliebt an. »Den größten, den du findest.«

  Ivy lachte und gab ihm einen Kuss, ehe sie sich mir zuwandte. »Magst du auch einen, Silver?«

  »Nein, danke. Aber geht ruhig schon mal vor«, winkte ich ab. »Ich muss schon aufs Klo, seit wir über Kansas geflogen sind. Wir treffen uns dann
gleich im Café.«

  Die beiden nickten. Schmunzelnd sah ich ihnen hinterher, während sich der große, coole, dauernd wütende Ryan MacCain lachend aufmachte, um einen Latte und einen Keks zu besorgen.

  Prescot

  Ich öffnete die Augen erst wieder, als Helena mir unangenehm gegen das Schienbein trat.

  »Komm schon, Prinzlein, wir sind da.«

  Ich zeigte ihr liebevoll den Mittelfinger und schnitt gähnend meinem leicht zerstörten Spiegelbild in dem kleinen runden Fenster eine Grimasse.

  »Um Gottes willen, Scotty, wie siehst du denn schon wieder aus?«, zischte Penelope, als wir uns alle an der Tür versammelten.

  Draußen sah ich bereits das Blitzen der Kameras. Die ganze Presse Kanadas schien sich dort zu tummeln. Hektisch versuchte Penelope, mein Haar platt zu drücken. Ich selbst rückte meine Krawatte zurecht.

  »Lass es. Besser wird es dadurch auch nicht«, wandte ich genervt ein.

  »Ja, ja, das haben sie bei deiner Geburt auch schon gesagt«, frotzelte Helena.

  »Konzentration, Kinder«, warf Dad ein, obwohl wir alle längst erwachsen waren, und musterte uns streng. »Es geht los.«

  Als die Flugzeugtür von der Stewardess, die Helena angeflirtet hatte, geöffnet wurde und uns der frische Wind Vancouvers entgegenschlug, ging eine Veränderung durch unsere gesamte Gruppe. Jeder von uns nahm automatisch eine Rolle ein. Setzte eine Maske auf, hörte auf, er selbst zu sein, und wurde zu der Person, die von uns dort draußen erwartet wurde. Helena und Penelope lächelten und wirkten plötzlich nicht mehr wie meine zänkischen, sarkastischen Schwestern, sondern wie seriöse Frauen Mitte zwanzig. Mein Dad straffte die Schultern und wurde vom Vater zum potenziellen König. Evangeline lächelte, als könnte sie kein Wässerchen trüben, und begann zu winken, während ich selbst ein arrogantes Lächeln in meinen Mundwinkel legte und die Hände in den Hosentaschen vergrub. Plötzlich sah mein Haar nicht mehr aus, als wäre ich im Flugzeug eingepennt, sondern als hätte ich es absichtlich so stylen lassen.

  Wir gingen die Treppen hinab. Mein Vater und ich zuerst, die Mädchen danach. Lichter blitzten, Mikrofone wurden uns unter die Nase gehalten. Fragen wurden gebrüllt.

  »Prinz Prescot, sind Sie so kurz vor der Entscheidung des Parlaments nervös? Was werden Sie tun, wenn Ihr Vater tatsächlich die Thronfolge antritt?«

  Mein Vater antwortete für mich, während ich mich nach dem Skandal von gestern zurückhielt. Ich wusste, was ich tat. Meine Schwestern wussten es ebenfalls. Sie waren meine Schadensbegrenzung. Sie gingen nach vorn, lächelten und sagten Dinge, die eigentlich ziemlich inhaltsleer waren. Inhaltsleer, aber seriös. Evangeline hielt sich dicht hinter mir. Langsam bahnten wir uns so einen Weg nach vorn. Aus dem Augenwinkel sah ich ein paar dunkel gekleidete Bodyguards. Mit ausdruckslosen Mienen hielten sie die Horde an Reportern davon ab, uns zu sehr auf den Leib zu rücken. Wenn sie gekonnt hätten, hätten sie uns ihre Mikros wahrscheinlich bis in den Arsch geschoben.

  Nur noch zehn Schritte, und wir würden die Halle betreten. Dort drinnen warteten weniger Reporter, jedoch Massen an Schaulustigen. Ich sah die Gesichter bereits durch die Scheiben zu uns hinausstarren. Die Plakate, die sie hochhielten. Manche Mädchen begannen zu kreischen, als ich ihnen zulächelte, andere sahen aus, als würden sie mir am liebsten ins Gesicht spucken. Nicht alle waren Fans der Monarchie. Oder meiner Familie. Es gab viele, die meinen Onkel, nicht meinen Vater auf dem Thron sitzen sehen wollten. Trotzdem waren sie hier. Um uns zu lieben oder zu hassen.

  Die Emotionen lagen so nah beieinander, dass die Luft zum Schneiden dick war und ich spürte, wie mir der kalte Schweiß den Rücken herablief. Ich hielt den Mund. Egal wie viele Mikrofone mir unter die Nase gehalten wurden, ich lächelte nur und schlang schützend einen Arm um Evangeline, während wir auf die Halle zugingen.

  Als endlich die Türen aufgingen und das Brüllen der Reporter vom Kreischen der Royal-Fans beziehungsweise Royal-Hater abgelöst wurde, spürte ich, wie mir nicht nur am Rücken, sondern am ganzen Körper der Schweiß ausbrach. Vielleicht hatte ich doch keinen Kater, sondern brütete eine fiese Erkältung aus. Ich schwankte und spürte einen Griff an meiner Schulter.

  »Alles okay?«, flüsterte mir Helena zu.

  »Mir … ich … ja«, stammelte ich.

  Helena warf mir einen besorgten Blick zu, ehe sie wieder lächelte. Sie blieb an meiner Seite, und ich gab mir selbst einen Ruck. Ich straffte die Schultern und ging auf die Mädchen vor mir zu. Sie kreischten, als ich ihnen ein Lächeln schenkte, und hielten mir alles Mögliche unter die Nase, das ich zu signieren begann. Ich zwinkerte einem Mädchen mit krausen Locken zu und malte zu meinen Initialen P.B. noch ein Herzchen. Sie warf sich beinahe in meine Arme, doch einer der Bodyguards ging schnell dazwischen.

  Ich lachte, tat so, als würde mein Herz nicht wie wild schlagen, und ließ den Blick schweifen.

  Die Reihen der Fans wirkten endlos. Dahinter sah ich jedoch auch wütende Schilder, die Gesichter meiner Familie waren darauf durchstrichen. Der richtige König auf den richtigen Thron!, stand auf einem Schild. Adel verpflichtet!, Kein Stiefsohn auf den Thron!, sagte ein anderes.

  Unglaublich. Die Proteste, die in Nova Scotia begonnen hatten, breiteten sich inzwischen über ganz Kanada aus und waren nun offenbar sogar bis an die Westküste herübergeschwappt. Jeder schien sich ein Urteil zu bilden. Vor allem die Familien, die wegen der Wirtschaftskrise Nova Scotia verlassen hatten und irgendwohin nach Kanada gezogen waren, schienen extrem scharf darauf zu sein, uns hier ihre Meinung zu geigen. Die Fundamentalisten, die konservativen Royalisten, wurden immer mehr. Anfangs waren es nur wenige gewesen, doch mein Onkel spaltete die Meinung der Leute offenbar genauso effizient, wie er uns zermürbte.

  Ich biss die Zähne zusammen, ignorierte die Hassrufe und warf einen Blick hinter das Absperrband. Neben den Fans und Nichtfans gingen auch ganz normale Leute vorbei, die zu ihrem eigenen Flug mussten oder jemanden abholten. Ich beobachtete sie. Normale Leute mit normalen Problemen.

  Die Türen schlugen auf, und ein Pärchen kam den Gang entlang. Ein zierliches Mädchen mit hellem Haar und pinken Haarspitzen. Sie sagte etwas, was den Jungen neben ihr zum Lachen brachte. Der Kerl war fast zwei Köpfe größer als sie, dunkles Haar und Piercings im ganzen Gesicht. Er sah absolut einschüchternd aus, doch als er etwas erwiderte, brachte er das Mädchen zum Strahlen. Sie ging auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Sie hielten weiterhin Händchen und wirkten dabei so … glücklich. In meinem Hals bildete sich ein Kloß.

  »Prescot?«

  Helena stieß mich an. Ich blinzelte und bemerkte erst jetzt, wie ich mich am Absperrband festklammerte. Meine Beine waren kurz davor nachzugeben. Scheiße, fühlte ich mich mies.

  »Ich … ich muss mal auf die Toilette«, stammelte ich.

  »Was?«

  Ohne Helenas verdutzten Blick zu beachten, ging ich weiter den Gang entlang. Ich spürte den Blick meines Vaters im Rücken, hörte die Leute kreischen, und alles in meinem Kopf begann sich zu drehen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie zwei der Bodyguards Anstalten machten, mir zu folgen, was meine Panik aber nur weiter schürte. Begründet oder nicht, das Letzte, was ich gerade wollte, war, noch enger von Oscars Männern umzingelt zu werden.

  Ruckartig tauchte ich unter dem Absperrband durch und hörte das aufregte Kreischen der Leute. Zu viel! Zu nahe … Luft! Ich brauchte Luft! Mädchen sahen mich mit großen Augen an, Hände fassten nach mir. Gequält lächelte ich ihnen zu, und wie durch ein Wunder gelang es mir, im Durcheinander unterzutauchen.

  Ich schlitterte um die nächste Ecke und fand endlich das blaue WC-Zeichen.

  Keuchend schlug ich die Tür auf, knöpfte mir dabei bereits das Jackett auf und lockerte die Krawatte. Mein blasses Gesicht starrte mir aus dem Spiegel entgegen. Mit klammen Fingern drehte ich den Hahn auf und klatschte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht. Ich prustete und spürte, wie sich langsam, ganz langsam mein Puls beruhigte. Scheiße, was war nur mit mir los? Hatte ich gerade eine Panikattacke? Normalerweise hatte ich meine Klaustro
phobie gut im Griff, mein letzter Austicker war Jahre her. Ich hatte das im Griff, ich … war …

  Die Tür schlug auf. Ruckartig sah ich auf, und mein Blick kreuzte den eines fremden Mannes. Ich erstarrte, seine Alkoholfahne war so penetrant, dass sie bis zu mir flutete und mir ein wenig übel wurde. Der Kerl stand in der Tür und schwankte, während er mich fixierte. Ich schenkte ihm ein nichtssagendes Lächeln und hoffte, dass er einfach das erledigte, wofür er hier hereingekommen war, und mich ansonsten ignorierte. Doch stattdessen blieb er vor der Tür stehen und stellte demonstrativ ein Schild ab. Darauf war das Gesicht meines Vaters zu sehen, das jemand mit Teufelshörnern und Vampirzähnen bemalt hatte. Keine falsche Brut, nur blaues Blut, war darauf zu lesen. Scheiße, ein Fundamentalist.

  Ich richtete mich langsam auf, und obwohl mein Herz wieder dermaßen losjagte, dass mir schwindlig wurde, setzte ich eine ausdruckslose Miene auf und drehte in aller Ruhe den Wasserhahn ab.

  »Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte ich mich und zupfte Papier aus dem Spender.

  Während ich meine Hände abtrocknete, überlegte ich fieberhaft, wie lange die Bodyguards brauchen würden, um mich hier drinnen zu finden. Auf einmal bereute ich es, mich davongestohlen zu haben.

  Ich maß mit meinen Blicken den Mann vor mir, der mich mit funkelnden Augen anstarrte. Ich wünschte, sie wären kalt und ausdruckslos gewesen, doch sie glitzerten in einem fiebrigen Wahn, der mir Angst machte. Meine Nackenhaare stellten sich auf.

  »Dacht ich’s mir doch, dass hier der falsche Prinz reinmarschiert ist«, lallte er schließlich. Der Typ war sturzbesoffen.

  »Tja, wenn Sie so freundlich wären, marschiere ich auch gleich wieder raus, Sir.« Ich warf das Papiertuch in den Müll, während ich meine Krawatte richtete und auf den Betrunkenen zulief. Ich würde einfach an ihm vorbeigehen. Er würde es nicht wagen, mich anzufassen. Er würde nicht …

  Zwei haarige Hände packten mich am Jackett und schubsten mich so hart zurück, dass ich mit dem Rücken gegen den Papierspender knallte.