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Kiss Me Twice Page 19
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Im selben Moment knallte die Tür auf, sodass Sir Henry und ich gleichzeitig einen Hopser in die Höhe machten.
»Was ist los?«, bellte mich ein verschwommener, dunkler Fleck an.
»Silver?«
Ich blinzelte, und aus dem verschwommenen dunklen Fleck wurde die schönste Frau auf Erden. Sie steckte in hautengen Jeans und einem ebensolchen Shirt. Der lange Zopf fiel ihr über die Schulter, und ihre Brust hob sich ein wenig zu schnell, so als wäre sie gerannt. Hektisch suchten ihre Augen mein Zimmer ab.
»Ist jemand hier?«, fragte sie mich scharf.
»Nur der Mops. Ich ersticke. Hilfe«, japste ich, und Silvers Blick entspannte sich. Minimal.
»Wie bist du denn hier reingekommen?«, fragte sie den Hund streng, und als ihr Schatten auf die Töle fiel, begann Sir Henry prompt, schuldbewusst zu winseln. »Husch, zurück zu deinem Frauchen«, befahl sie, und der Hund fiel beinahe über seine eigenen Pfoten, so schnell, wie er davonzuhoppeln versuchte.
»Wow! Den Trick musst du mir beibringen«, sagte ich beeindruckt, ehe ich den Blick hob und Silver anlächelte.
»Gut, dass du wach bist«, erwiderte sie mit rauer Stimme und stellte sich neben das Bett. Der Abstand, den sie zwischen uns hielt, gefiel mir ganz und gar nicht. Auch nicht die Haltung, die sie einnahm. Sie sah aus wie … ein Bodyguard. Die Schultern gestrafft, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, die Beine leicht gespreizt, der Gesichtsausdruck vollkommen neutral.
»Silver … ist alles okay mit dir?«, fragte ich stirnrunzelnd und setzte mich langsam auf.
»Natürlich. Die Frage ist eher: Ist mit dir alles okay?«, fragte sie sachlich und kühl.
Hatte ich etwas angestellt? Was genau war gestern passiert? Ich runzelte die Stirn. »Was ist denn los? Warum hänge ich an den Schläuchen hier?«
»Du bist gestern Nacht umgekippt und hast uns damit allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, erklärte sie ernst, und mein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Kannst du dich an irgendwas erinnern?«, fragte sie nach.
»Dunkel«, gab ich zu. »Ich habe den Scotia Doodle gewonnen und dann … bin ich … bin ich ohnmächtig geworden? Vor dem halben kanadischen Adel?«, fragte ich verlegen und rieb mir den Nacken.
»Ja, bist du. Laut ärztlichem Befund hattest du über 1,5 Promille Alkohol im Blut. Sie haben angeblich eine fast leere Wodkaflasche in deinem Zimmer gefunden. Stimmt das? Hast du einfach zu viel getrunken?« Sie sah mich scharf an, und ich fühlte mich wie Sir Henry. Also kurz davor, den Schwanz einzuziehen und winselnd davonzuhoppeln.
»Mmpf … ja, ich hab mir ein, zwei Gläser genehmigt, bevor du zurückgekommen bist«, gestand ich ein und schloss die Augen. Himmel, 1,5 Promille? Nach dem bisschen Wodka? Offenbar hatte ich unterschätzt, wie sehr ich aus der Übung war. So oder so war es eine dumme Idee gewesen. Ich hatte gewusst, dass es eine war, und es trotzdem getan. Zwei Jahre hatte ich mich fast vollständig vom Alkohol ferngehalten, hatte versucht, mich am Riemen zu reißen. All die Stabilität, die ich in den letzten Monaten zu errichten versuchte hatte, bröckelte, fiel in sich zusammen und holte aus mir den Prescot hervor, den ich eigentlich unbedingt abschütteln wollte. Einen hässlichen, selbstzerstörerischen Teil meiner Vergangenheit, der meist nur in Williams Gegenwart herauskam und in mir sowohl Kopfschmerzen als auch ein dumpfes Schamgefühl auslöste.
Silver nickte. »Verstehe. Dann habe ich mir die Sorgen wohl umsonst gemacht.«
»Wie meinst du das?«
»Ach, egal. Ich … ich sollte dich einfach in Ruhe lassen. Schlaf dich erst mal aus.« Damit drehte sie sich um, und es sah tatsächlich so aus, als wollte sie einfach das Zimmer verlassen.
Augenblicklich raste mein Herz vor Panik los.
»Silver! Halt! Wo willst du hin?«
Ohne nachzudenken, sprang ich aus dem Bett, verhedderte mich jedoch in den dummen Schläuchen und prallte schmerzhaft auf den Teppichboden auf.
»Heilige Scheiße, Prescot!« Silver war blitzschnell bei mir.
»Schon gut, alles okay, mir ist nur ein wenig schummrig«, versicherte ich ihr. »Nur … bitte geh nicht. Bitte erklär mir, was gestern passiert ist«, bat ich und verzog das Gesicht. »Ich fühle mich, als wäre eine Rentierherde über mich drübergetrampelt.«
Silver sah mich aus ihren hellen Schneeaugen an und seufzte tief. »Setz dich hin. Ich hole dir die Nadel aus dem Arm.«
Ich tat wie befohlen, während sie vom Nachtkästchen ein bereitgelegtes Pflaster und ein Glas Wasser nahm. »Trink«, wies sie mich knapp an.
Ich tat, was sie sagte, und kippte den Inhalt in einem großen Schluck hinunter.
»Wenn du keinen Alkohol verträgst, solltest du die Finger davon lassen. Warum hast du das überhaupt getan?«, fragte sie mich unwirsch und riss die Nadel ziemlich unsanft aus meinem Arm.
Ich musterte sie, während mir das schlechte Gewissen einflüsterte, dass ich ihr von William erzählen sollte. Von damals. Von meiner Zeit im Internat. Wer ich war, was ich war und wer ich inzwischen zu sein versuchte. Und warum ich nach zwei Jahren praktischer Abstinenz von zwei Gläschen Alkohol umkippte.
Aber ich war feige, also sagte ich stattdessen: »Ich bin erwachsen, Silver. Ich kann trinken, was und wann ich will.« Ich Arsch!
Sie warf mir einen giftigen Blick zu.
»Ich bin älter als du«, fügte ich hinzu, nur, um es noch ein bisschen mehr zu vergeigen. »Außerdem musste ich mir Mut antrinken. Ich … ich war nervös und hab mich vor dir geschämt«, fügte ich etwas leiser hinzu.
»Geschämt? Du dich? Vor mir?« Irritiert sah sie mich an, während sie mir ein Pflaster auf die Einstichstelle drückte.
»Ja. Scheiße noch mal, ich war kurz davor, dich offiziell als meine Freundin vorzustellen, und das auch noch in einem beknackten Röckchen. Ich bin vor Scham fast gestorben.«
Ich studierte ihren Gesichtsausdruck, doch sie ließ rein gar nichts von ihren Emotionen durchblitzen.
»Okay, das verstehe ich«, sagte sie nach einer kleinen Pause und sah mich eindringlich an. »Trotzdem, bevor dir etwas peinlich ist, rede gefälligst mit mir und kipp dir nicht einfach auf leeren Magen Alkohol hinter die Binde. Ich habe gestern Nacht gedacht, jemand hätte versucht, dir K.-o.-Tropfen oder noch was Schlimmeres unterzujubeln. Das ist kein Spaß, Prescot. Ich arbeite für dich, aber so kann ich nicht auf dich aufpassen.«
Sie starrte mich an, und plötzlich kippte die Stimmung. Ich starrte zurück, und die Luft zwischen uns begann zu knistern. Eine brodelnde Hitze stieg in mir hoch. Am liebsten hätte ich Silver gepackt, sie an mich gezogen, ihre Lippen gekostet, ihre Finger auf meiner Haut gefühlt, während ich ihr versichern wollte, dass sie für mich viel mehr war als nur ein Begleitschutz. So viel mehr. Was ich da fühlte, machte mir Angst, während es gleichzeitig dem besten Adrenalinrausch meines Lebens gleichkam. Früher hatte ich waghalsige Wetten mit William abgeschlossen, hatte über die Stränge geschlagen, um diesen Kick zu bekommen. Jetzt schien ich nur noch Silver zu brauchen, um mich lebendig zu fühlen.
»Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen«, murmelte ich, ohne mir anmerken zu lassen, was sie mit einem einzigen Augenaufschlag in mir auslöste.
»Gut.«
Es wirkte, als wollte sie noch etwas sagen. Ihr Blick huschte über mein Gesicht und blieb an meinen Lippen hängen. Was hätte ich jetzt dafür gegeben, wenn sie die letzten Zentimeter überbrückt, die Luft zwischen uns mit ihrem Atem erwärmt und ihre Lippen über meine hätte gleiten lassen. Doch sie tat es nicht. Am liebsten hätte ich aufgeschrien vor Frustration. Aber ich musste mich zusammenreißen. Wenn ich sie jetzt einfach küsste, würde sie mir wahrscheinlich den Kehlkopf zertrümmern.
»Aaalso, sind wir jetzt wieder gut?«, fragte ich lockend.
Sie schnaubte und stand auf. »Ja. Allerdings habe ich immer noch ein schlechtes Gefühl, Prescot. Du hattest recht. Hier stimmt was nicht, und ich glaube auch, dass dein Onkel seine Finger im Spiel hat. Allerdings nicht nur er …« Sie zögerte.
»Was ist los?«, fragte ich ernst. br />
Sie musterte mich und begann zu erzählen. Über ihre Beobachtungen des gestrigen Abends bis hin zu dem Gespräch, das sie belauscht hatte. Mit jedem Satz spürte ich, wie sich mein Stirnrunzeln vertiefte.
»Bist du dir sicher, dass es dabei um dich ging?«
»Nicht zu hundert Prozent«, gab sie ehrlich zu. »Aber es kam mir naheliegend vor. Nur um alle Eventualitäten im Blick zu behalten: Dein Vater und deine Schwestern leben hier, deine Mom aber nicht, oder?«
»Meine Mom?« Perplex starrte ich sie an.
Silver musterte mich, als wäre sie unsicher, ob sie zu weit gegangen war, doch dann redete sie weiter. »Carla meinte, sie würde hier schon länger nicht mehr leben. Ist deine Beziehung zu ihr schlecht? Ist zwischen euch etwas vorgefallen, was uns Probleme machen könnte?«
»Sie ist nicht direkt schlecht, eher einfach nicht existent. Meine Mutter hat sich kurz nach meiner Geburt von meinem Vater scheiden lassen. War wohl keine schöne Sache. Vor allem der Adel ist in dieser Hinsicht sehr konservativ. Laut Helena und Penelope ist seit diesem Zeitpunkt die Beziehung zwischen meinem Onkel und meinem Dad noch angespannter, warum auch immer. Jedenfalls ist meine Mutter hier in unserer Familie mehr wie ein Schatten und ein ständiger Anlass für Groll zwischen meinem Vater und meinem Onkel. Na ja, und mit ihrer Mutter und ihrer Schwester – die beiden hast du ja auf dem Ball schon kennengelernt – hat sie sich durch ihre ständigen Eskapaden komplett überworfen.«
»Verstehe«, sagte Silver, wirkte jedoch nicht wirklich beruhigter.
»Hey … schau nicht so düster. Ich kann mir nicht vorstellen, warum meine Schwestern dich aus dem Palast vertreiben sollten. Und auch nicht, dass sie mit Onkel Oscar zusammenarbeiten. Das passt gar nicht zu ihnen«, versicherte ich ihr ernst und berührte ihre Hand. Sie war kühl, aber jeder kleine Zentimeter, der uns verband, begann prompt zu prickeln. Ich schauderte. Silver zögerte, zog die Hand jedoch nicht zurück. Unsere Finger verflochten sich, passten perfekt ineinander.
»Trotz allem muss ich berücksichtigen, was ich gehört habe«, murmelte sie.
»Das verstehe ich. Und was können wir deiner Meinung nach tun? Vor allem, was meinen Onkel betrifft?«
Sie zog die Hand zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Abwarten und sehen, was passiert. Ich werde dir nicht von der Seite weichen, und wir müssen uns immer genau absprechen, vor allem, wenn wir was Verdächtiges sehen. Dann werde ich dem nachgehen.«
Unruhig verlagerte ich das Gewicht und fuhr mir dabei abermals durch die Haare. »Abwarten … nein, das geht mir zu langsam. Wir sollten ihnen einen Schritt voraus sein.«
»Und wie? Wenn wir nicht genau wissen, wer was vorhat?«, meinte Silver skeptisch.
Meine müden Gehirnwindungen rollten sich allmählich wieder auf und begannen langsam, aber sicher einen Plan auszuspucken. Einen schlechten Plan, aber schlechte Pläne waren nun mal genau mein Ding.
Lächelnd drehte ich mich zu ihr um. »Indem wir mich einfach auf einem Silbertablett servieren.«
»Was? Bist du noch betrunken?«
»Schon möglich. Aber das würde Sinn ergeben. Anstatt uns zurückzuhalten, bin ich noch präsenter als zuvor. Solange du bei mir bist, werden wir es schnell genug merken, wenn wirklich jemand versuchen sollte, mir zu schaden, meinst du nicht?«
»Nein, das meine ich nicht. Leg dich wieder hin und ruh dich aus, Prescot«, entschied sie, doch da wandte ich mich bereits ab und wühlte in meinem Kleiderschrank herum.
»Pres… Was machst du?«, fuhr sie mich an, während ich eine beige Cordhose und ein passendes marinefarbenes Poloshirt herausholte.
»Was wohl? Ich bin vielleicht noch ein bisschen blau, aber ich weiß durchaus, dass heute Golf auf dem Plan steht. Und es gibt nichts Besseres für eine Observation als eine Runde Golf mit dem Feind.« Ich grinste.
Silver klappte der Mund auf, und ihr linkes Auge zuckte, als müsste sie sich ernsthaft davon abhalten, mir eine herunterzuhauen. »Du willst Golf spielen?«
»Nein. Wir wollen Golf spielen.« Ich warf ihr eines meiner Polos zu.
»Bist du bescheuert? Du kannst dich kaum auf den Beinen halten.«
»Wir machen auf dem Weg einen Zwischenstopp bei A&W. Mit Fett kuriert sich alles. Und das Beste: Es gibt Golfcarts. Wir observieren also im Sitzen mit fünfzehn Stundenkilometern.«
Sie blinzelte mich an. »Was zum Teufel ist A&W?«
Jetzt war ich derjenige, der innehielt und sie anstarrte.
»Sag schon«, fuhr sie mich an. »Oder hat dein Hirn Ladehemmung?«
»Haha, der war ja fast witzig. Nein, ich vergesse nur dauernd, dass du Amerikanerin bist. Komm, zieh dich an und ich zeig dir A&W. Da gibt es das beste Katerfrühstück, das du jemals gegessen hast.«
»Ich habe keinen Kater.«
»Stimmt, du hast Möpse.«
»Was?«
»Nichts. Zieh dich an«, sagte ich und wich dabei lachend ihrem Fausthieb aus.
Frustriert blies sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Nur um das klarzustellen: Das ist eine dumme Idee. Ich habe vorhin noch mit Carla gesprochen. Sie wollte mit deiner Familie bereits vor einer Stunde los. Die holen wir niemals rechtzeitig ein.«
»Egal, dann müssen wir zum Glück nur neun Loch statt achtzehn spielen.«
Ich zog mir das Poloshirt über die Schultern und hörte Silver scharf einatmen.
»Gibt es ein Problem?«, fragte ich lauernd, während ich über meine nackte Schulter zu ihr hinüberlinste.
Ihr Pokerface war wirklich verdammt gut. Wenn nur ihre Ohren nicht langsam rot angelaufen wären.
»Nein, alles gut. Du spinnst. Gib mir zehn Minuten«, presste sie hervor und flüchtete aus dem Zimmer.
Ich lächelte in mich hinein.
Silver
Wie sich herausstellte, besaß Prescot ein Auto. Ein knallrotes Alfa-Romeo-Cabrio, um genau zu sein.
»Netter Wagen«, sagte ich trocken.
»Danke. Gab’s gratis zum Lenkrad dazu.« Prescot grinste und machte Anstalten, hinter besagtes sauteures Lenkrad zu klettern.
»Was soll das? Du hast noch einen Kater, also ab auf die Ersatzbank mit dir«, wies ich ihn streng zurecht.
»Was? Aber es ist meins! Und ich kann das mindestens so gut wie der Chauffeur«, beschwerte sich Prescot, als ich ihm die Schlüssel aus den Fingern riss.
»Wer säuft, fährt nicht«, verkündete ich und schwang mich auf den Fahrersitz, ohne die Autotür aufzumachen.
Das Leder knirschte dabei, während Prescot neben mir einstieg. »Irgendwie ist das heiß …«, setzte er an.
»Sag’s nicht. Behalt deine Ferkelgedanken einfach für dich und sag mir lieber, wo wir hinmüssen«, knurrte ich und startete den Motor.
Zum Glück hatte ich mit Ryan zusammen damals auf dem alten Truck seines Dads gelernt, mit Gangschaltung zu fahren. Und das auch noch ziemlich gut. Prescot grinste nur, was seine weißen Zähne aufblitzen ließ. Ich hätte es niemals zugegeben, aber ich fand den Kerl sogar mit hellem Golfhandschuh und spießigem Polohemd heiß. Man musste aber wahrscheinlich auch tot sein, um Prescot nicht heiß zu finden.
»Wir folgen Ihnen. Fahren Sie nur nicht zu schnell«, versicherte uns einer der beiden Bodyguards – oder drohte uns eher –, während die zwei Männer in einen schwarzen SUV stiegen.
Ich stellte die Rückspiegel ein und jagte das Stück überteuertes Blech aus der Garage. Der Motor schnurrte erst, heulte dann auf und ließ den Alfa so weich um die Kurven fahren, dass ich überrascht aufsah.
»Geil, oder?«, merkte Prescot an.
Verdammt, ja! Doch ich zeigte ihm nur den Mittelfinger, während ich die Schaltung betätigte. Der warme Sommerwind Kanadas pfiff uns um die Ohren. Die Sonne schien auf uns herab, während ich den Anweisungen des Prinzen folgte, die uns zu einer Fast-Food-Kette brachten. Ich fuhr in die Drive-in-Spur, die ähnlich wie bei McDonald’s aussah. Gut, ich kannte zwar niemanden mehr, der tatsächlich noch zu McDonald’s ging, aber ich hatte ja sowieso schon das dezente Gef
ühl, dass Kanada ein wenig in den Neunzigern stecken geblieben war. Fast wie Europa.
»Guten Tag bei A&W. Ihre Bestellung bitte?«, knatterte es aus dem Lautsprecher.
»Ja, hey«, brüllte Prescot und lehnte sich so weit nach vorn, dass er halb auf meinem Schoß lag.
Ich zog reflexartig den Bauch ein, während er seine Bestellung aufgab, von der wir eine Footballmannschaft hätten satt kriegen können.
»Wen willst du mit dem ganzen Cholesterin denn alles töten?«, erkundigte ich mich liebenswürdig, während er zahlte und unsere Bestellung in insgesamt vier fetttriefenden Tüten zu uns durchgereicht wurde.
»Nur mi…«, setzte Prescot an, als das Mädchen am Schalter auf einmal atemlos nach Luft schnappte, unseren Kaffee noch in der Hand.
Ihre Augen wurden kugelrund. »Oh, mein … sind Sie Prinz Prescot?«, stammelte sie.
Sofort versteifte ich mich, jederzeit bereit loszubrausen.
Doch Prescot lächelte das Mädchen einfach nur charmant an. Ich hätte schwören können, dass sogar das Licht in diesem Augenblick heller funkelte, sodass sein dummes Haar aussah wie aus Gold.
»Ja, aber bitte nicht weitersagen. Ich will meinen Bacon & Egger am liebsten inkognito essen.«
Sie kicherte und klimperte mit den Wimpern. Ich unterdrückte den Drang, einfach weiterzufahren.
»Kann ich vielleicht ein Autogramm haben?«, fragte sie schüchtern.
»Klar.« Er grinste, kramte aus der Tüte eine Serviette und kritzelte mit einem Stift – den er was weiß ich woher hatte – seinen Namen auf den fettigen Fetzen.
»D…danke!«
Sie starrte ihn so atemlos an, als hätte er ihr gerade den Heiligen Gral überreicht. Er zwinkerte ihr zu, und ich drückte einfach auf die Tube.
»Mach mal langschama, Schilva, scho kann ich nich esschn«, rief mir Prescot mit vollem Mund zu und stopfte sich sein Burgerbrötchen mit haufenweise Speck in den Mund.
»Musstest du so mit ihr flirten?«, brummte ich und holte mir aus seiner Tüte ein paar Pommes, die ich mir beim Fahren in den Mund schob.